Spinat im Himalaya

Hindi lernen ist nicht schwer. Dachte unser Autor. 

Straßenschild im Himalaya mit Aufschrift "Welcome to the Paradise of India", daneben ein Motorrad

Seit es mich zur Mutter Indien verschlagen hat, höre ich immer wieder von der indo-germanischen Sprachwurzel. Nein, das ist kein Curry-Gewürz – sondern verdeutlicht die enge Verwandtschaft unserer Sprachen. Das Hindi-Wort „Sabun“ für Seife erinnert an Shampoo. Sehr beliebt waren in Ostdeutschland die Bungalows, also die eingedeutschte Fassung des englischen Wortes „Bengalo“ für eingeschossige Häuser im bengalischen Stil. Ich erinnere mich auch an den in Thüringen verbreiteten Satz: „Ich bin doch nicht dein Kuli“, also nicht dein Träger aus der Unterschicht.

Die Kommentarschreiber der englischsprachigen Zeitungen in Neu Delhi, etwa die der Hindustan Times, bedienen sich mit Freuden bekannter deutscher Wörter wie Weltschmerz, Blitzkrieg, Politbüro – oder ganz einfach „schleppen“. Da steht dann: „Chiefminister XY had to schlepp his luggage all by himself.“ Vielleicht war kein Kuli vorhanden.

Die Inder sind den Deutschen sehr verbunden. Die erste Übersetzung eines der heiligen Hindubücher, der Bhagavad Gita, war ins Deutsche. Übersetzer: Max Müller – wirklich wahr. Sogar das Goethe-Institut heißt in Delhi „Max Mueller Bhavan“.

Als ich anfing, Straßen-Hindi zu lernen, fussballspielten zwei Herren names Kaka und Ballack in einem so wichtigen Turnier (WM 2002), dass sogar die Delhi-Taxifahrer es auf ihren Miniradios hörten. Sie waren sehr begeistert, denn beide Namen bedeuten soviel wie „Kindchen“ oder „Jüngelchen“.

Hindi lernen ist im Vergleich zu anderen Sprachen nicht schwer. Die Grammatik ist überschaubar. Das „ist“ kommt an den Ende des Satzes. „Elefant groß ist.“ „Er viel Grass essen ist.“ Danach wird es kompliziert mit angedeuteten Verben und Postpositionen. Präpositionen kannte ich, aber Post…? Ein wichtiger Hindifilm heißt „Taares Zameen par“ also „Sterne Erde auf“. Es geht um lernschwache Kinder, die trotz ihrer sozialen Stigmata Sternchen auf unserer Erde sind.

Nach einem Jahr klappte es mit Hindi schon sehr gut. Es kam zum alljährlichen Männlichkeitsritual: mit dem Motorrad in den Himalaya knattern, raus aus der Hitze der Ebene – ab in die kühlen Berge. Ich sehe die „Hügel“ – „the hills“, so nennen sie das höchste Gebirge der Welt hier – schon vor mir, da stockt und stottert meine Mopete. Es ist natürlich eine Royal Enfield, die es seit kurzem sogar bei Tchibo gibt. Ich halte also bei der ersten Werkstatt an. Straßenseitige Werkstätten erkannt man daran, dass an einem Holzverschlag ein platter Reifenschlauch hängt, oder eben andere Motorräder herumstehen, die so aussehen, als bereiteten sie sich auf eine Offene-Herz-OP vor.

Ich zerr meinen Bock, den ich liebevoll „Kiste“ getauft habe, auf den Ständer und erkläre dem herbeilaufenden, etwa 16-jährigen Motorrad-Service-Fachangestellten in gebrochenem Hindi: „Kaputt.“

Er klemmt sich dahinter. Jetzt läuft das typische Testprogramm ab. Hupen heißt: Strom da. Die Batterie ist es also nicht. Dichtung, Vergaser oder Benzinzufuhr… mir zu doof, ich gehe eine rauchen. Der Serviceexperte kommt hinter mir her. Er wirkt nicht so, als habe er eine Lösung, redet aber auf mich ein. Unter den Worten, die ich verstehe, ist „Palak“ – also Spinat.

Ok, ich kombiniere klug: Das dauert – und er will erstmal was essen gehen: Spinat. Dann setzt er nach: „Drieeeeefiftie“-  350 Rupien. Ich denke nur: „Sportsfreund, ich weiß genau, wie viel hier ein vegetarisches Gericht kostet. Ich lege dir gerne was für dein Essen dazu, aber 5 Euro sind in Indien ne Menge Holz, besonders auf dem Land. „Nahi, jhe mehenga hai“ – „Nein, das ist zu teuer“, höre ich mich protestieren. Diesen Satz kann ich noch von den Rikschafahrern auswendig. Er hebt den Zeigefinger mit dem Fingernagel zu mir und hält den Daumen auf Höhe des Mittelgliedes von innen dagegen. Das indische Zeichen für „1“ oder „one minute“ oder „dauert nicht lange“. Ich ächze und stelle mich auf lange Verhandlungen ein, denn „one minute“ ist ein ganz schlechter Scherz. Aber er dreht sich auf dem Hacken um und rennt zum Motorrad-Fachhandels-Verschlag.

Zack! Er hat, was er suchte, und schon auf dem halben Rückweg trötet er „Drrrreeeeeeeefiiiiiiiiifffty“ und drückt mir eine Papierschachtel in die Hand. Ich lese: „Hindustan Motors – Spark Plug“, also Zündkerze, 350 indische Rupien.

Zehn Minuten später sitze ich im Fahrtwind auf der schnurrenden „Kiste“ mit einem schweren Lachanfall: Plug – indisch ausgesprochen Pa-laaak – hat nichts mit Spinat zu tun.

Motorrad vor einer tollen Himalaya-Gebirgskulisse

Eine Antwort

Einen Kommentar hinzufügen