Und das ist für Dave

Dave

Ich möchte Dave Tjiok um Verzeihung bitten. Eigentlich hatte er sich zum Start von Realsatire eine poetische Namensnennung gewünscht – und dafür immerhin 77 Euro bei unserem Crowdfunding im Februar gezahlt. Aber nun haben wir kein Gedicht für ihn – sondern eine Kurzgeschichte. Warum? Nun, einfach deshalb, weil eine wahre Begebenheit mit ihm so sehr gelebte Realsatire ist, dass sie zu Dave und zum Start dieses Portals viel besser passt. Sie handelt von Sicherheitschecks, aggressiven Orangen und Napalm. In Daves Welt ergibt das alles Sinn.

Die Geschichte trug sich zu im September 2002. Dave Tjiok war junger Medienmacher und sollte gemeinsam mit 150 anderen Journalisten (darunter der Autor dieser Zeilen) auf einer riesigen Fähre von Kiel nach Oslo und wieder zurück fahren – für ein Jugendmedientreffen. Doch als die Fähre ablegte, war kein Dave zu sehen. Wegen einer Verkettung von, naja, irgendwie unglücklicher Umstände. Das erste Problem: Er hatte seinen Zug nach Kiel verpasst – weil er zu lange mit einem Freund geheimwerkert hatte. Dave war nämlich mindestens ebenso technisch begabt, wie er chaotisch war – Eigenschaften, die ja häufig korrelieren.

Gefährliches Gerät

Doch er wäre nicht Dave, wenn er nicht nach einem Weg gesucht hätte, um die Fähre doch noch zu erreichen. Er fand tatsächlich ganz spontan einen Flug, der ihn von Frankfurt nach Oslo bringen sollte – wo er die MS Prinsesse Ragnhild dann zumindest für die Rückfahrt besteigen wollte. Es ergab sich bald allerdings das zweite Problem: Am Flughafen hätte er beinahe die Sicherheitskontrolle nicht überstanden. Denn die Beamten entdeckten ein gefährlich aussehendes Gerät in seinem Gepäck und befragten ihn lange. Es stellte sich dann aber heraus, dass er doch keine Handfeuerwaffe mit sich führte, sondern „nur“ eine Bohrmaschine – eigentlich logisch, wenn man grad vom Heimwerkern kommt.

Er erreichte den Flieger also gerade noch – und saß an Bord inmitten einer netten japanischen Reisegruppe. Er erfuhr, dass die Japaner vom Flughafen in Oslo mit dem Bus am Hafen vorbei und dann weiter ins Landesinnere fahren wollten. Für Dave die Chance, günstig zum Hafen und damit zur Fähre zu kommen. Es folgte aber leider Problem Nummer 3: Völlig übermüdet von der turbulenten Reise, nickte Dave genau auf dieser kurzen Bustour ein – und wachte erst eine Stunde später auf der Autobahn wieder auf. Panisch verließ er den Bus und begann, in Gegenfahrtrichtung wieder zurück zum Osloer Hafen zu trampen. Dort rechnete ja niemand mehr mit ihm – und so hätte die Fähre beinahe wieder ohne ihn abgelegt, wenn er nicht im letzten Moment mit seinem Gepäck inklusive Bohrmaschine zum Steg gerannt wäre.

Auf dem Schiff verbreitete sich sein Reisebericht wie ein Lauffeuer – aber Dave hatte keine Zeit, das auszukosten. Die Redaktion von „politikorange“, die an Bord eine Zeitung über die Veranstaltung produzierte, wartete auf seinen zugesagten Text: eine Glosse über gefährliche Orangen, die eine Wut auf die Unterdrückung durch den Menschen entwickeln.

Wütende Orangen

Es war mitten in der Nacht, als beim schreibenden Dave das Problem Nummer 4 auftrat. Er hatte beschlossen, ein Szenario zu verfassen, in dem die wütenden Orangen terroristische Pläne schmieden und Napalm produzieren. Dave hatte mal gelernt, dass gefrorenes O-Saft-Konzentrat mit gewissen Zusätzen vermischt Napalm ergibt. Er hatte nur leider die genaue Zusammensetzung der Zutaten vergessen. Aber er wusste, dass ein Freund von ihm das Rezept kannte. Nur: Der lag zuhause im Bett, um 3 Uhr nachts, und schlief. Und Dave war mitten auf der Ostsee, ohne jeglichen Handyempfang. Aber wie gesagt: Wir reden von Dave Tjiok. Der lässt sich von solchen Kleinigkeiten nicht abhalten. Er wusste: Eine Fähre hat üblicherweise ein Satelittentelefon. Und einen schlafenden Freund kann man wecken. Also suchte Dave den diensthabenden Matrosen – und fand ihn. Ich war leider bei dem Gespräch nicht dabei, wäre es aber sehr gerne gewesen. Allein die Vorstellung: Wie auf einmal nachts um 3 Uhr ein übermüdet wirkender Nerd fremdländischen Aussehens vor einem Matrosen steht und ihn dringend darum bittet, das Satelittentelefon benutzen zu dürfen. Wie der Matrose sich überzeugen lässt – und dann das Telefonat belauscht. Ein Gespräch, bei dem Dave Tjiok seinen Kumpel weckt und ihm aufgeregt erklärt, er sei auf einem Schiff und müsse dringend wissen, wie man aus O-Saft-Konzentrat Napalm herstellt. Ein Jahr nach 9/11, wohlgemerkt. Wie der Freund ihm die Mischung erklärt, Dave sich bedankt und dann euphorisch davonrennt.

Der Text erschien am Morgen tatsächlich in politikorange, mit dem letzten Satz: „Unsere Zeit und der heilige Fruchtkrieg werden kommen.“ Dave war nach dem Absenden des Artikels auf dem Flur vor dem Redaktionsraum eingeschlafen. Nicht einmal das hartnäckige Rütteln durch drei Freunde konnte ihn noch wecken – und erst recht kein Satelittentelefon.

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