Panama Papers? Was ist das?

Ein Parkverbotsschild, mit dem Hinweis: "ausgenommen Fahrzeuge der Botschaft der Republik Panama"

Foto: Karim El-Gawhary (auf Facebook)

Ein Restaurantbesuch in Berlin-Mitte kann sehr unterhaltsam sein. Vor allem, wenn am Nachbartisch plötzlich über Steuerbetrug geredet wird. 

Berlin-Mitte kann alles. Mitte kann Flexitarier, Mitte kann Wechseljuicer, Mitte kann man einfach sprengen wollen. Und – anders als in den guten alten Zeiten, als hier nur DDR-Ruinen standen und verlorene Nachtschwärmer ihr Wegbier süffelten, ohne zu wissen, dass genau das 20 Jahre später Kult sein würde – Mitte kann auch Geld. Viel Geld. Dafür muss man sich ja auch nicht schämen. Offenbar nicht einmal dann, wenn man es möglicherweise illegal erlangt hat.

Man lernt so etwas, wenn man – rein zufällig natürlich – Gespräche im „Buchholz“ belauscht. Das ist ein Laden für rustikale Holzmöbel und Accessoires. Und gleichzeitig ein Lunch-Spot, betrieben vom trendigen „Lokal“ gleich um die Ecke. Mehr Mitte geht nicht. Der Buchweizensalat vor mir auf dem rustikalen Holzbrett ist so gesund, dass jeder noch so hässliche ZEIT-Redakteur schnell Reißaus nehmen würde.

Am Nachbartisch geht’s dagegen glatt uncool zu. Zwei simple Tassen Kaffee stehen auf dem Tisch, zwischen einem Mann und einer Frau Ende 30. Zunächst zeigt er ihr Bilder seiner Kinder auf dem Smartphone. Dann erzählt er Belangloses – aber so laut, dass niemand im Restaurant umhinkommt, zu hören, wie schön sein letzter Mittelmeer-Urlaub doch war. Danach geht’s um sein Start-Up, das er verkauft hat. Logisch, wir sind ja in Mitte. „Und was machst du mit dem ganzen Geld?“, fragt seine Begleitung. „Weiß auch noch nicht, wohin damit“, klagt er. Der arme Mann!

Aber dann fällt der Satz, der mich meinen Buchweizensalat komplett vergessen lässt. „Jetzt ist mein Name auch noch in den Panama Papers aufgetaucht!“ Sagt’s – und begräbt sein Gesicht in seinen Händen, als leide er unheimlich. Aber auch so, als ob es ihm doch sehr gefalle, in der privilegierten Lage zu sein, so leiden zu können.

Bisschen riskant, das so in der Öffentlichkeit zu erzählen, denke ich mir. Aber vielleicht mache ich mir da auch zu viele Sorgen: „Panama Papers? Was ist das?“, fragt seine Freundin irritiert und beweist, dass man im politisch-medialen Zentrum Deutschlands nicht zwangsläufig besser über das Weltgeschehen informiert ist als da, wo es wieder Wölfe gibt – in Brandenburg.

„Naja, da geht’s so um Steuerfragen“, klärt er sie fachmännisch auf. „Ich muss mal gucken, ob die was gegen mich unternehmen können.“ Dabei nippt er gelangweilt an seinem Kaffee. Eine lästige Petitesse, aber kein Grund, sein nonchalantes Auftreten abzulegen oder gar seine Stimme zu senken. Und schnell ist das Gespräch auch wieder bei den wichtigen Themen des Lebens: Wohin soll’s eigentlich im nächsten Urlaub gehen?

Ich bin enttäuscht! So wenig Aufregung? Wenn der eigene Name in den Dokumenten auftaucht, die einige Journalisten als den größten Scoop der vergangenen Jahre feiern? Beneidenswert, diese Coolness. Aber vielleicht wollte der Start-Up-Verkäufer auch nur prahlen? Wollte nur seine Begleiterin beeindrucken – und deren Unkenntnis hat ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht? Ich bin mir sicher: Mitte kann auch Hochstapler.

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